SERIE:

Lieblingsstücke

Unsere Mitarbeiter stellen ihre Lieblingsexponate aus dem Bayerischen Brauereimuseum vor.

Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums unseres Bayerischen Brauerei Museums freuen wir uns, eine besondere Artikelserie zu präsentieren. In dieser Serie stellen wir Ihnen die Geschichten und Lieblingsstücke unserer Museumsmitarbeiter und ehemaligen Mitarbeiter vor. Die Mitarbeiter stellen die persönlichen Hintergründe ihrer Lieblingsstücke und die faszinierenden Geschichten dahinter vor. Erfahren Sie mehr über die Schätze unseres Museums durch die Augen derjenigen, die täglich daran arbeiten, unser kulturelles Erbe zu bewahren und zugänglich zu machen. 

Ulrich Nitsche

Als das Bayerische Brauereimuseum 1994 seine Pforten öffnete, war das sozusagen die `Stunde Null` in Sachen eines überregionalen Kulturtourismus. Es galt auf die Möglichkeiten nachdrücklichst aufmerksam zu machen, die der Kulmbacher Mönchshof dem kulturinteressierten Besucher ab sofort zu bieten hatte: die erste Abteilung `Kunst des Bierbrauens` individuell zu studieren oder in der Gruppe eine Führung zu buchen.

Museumsleiter Bernhard Sauermann  blickt zurück: „Für Gruppen wurden ansprechende 1-Tages- und 3-Tages-Programme ausgearbeitet, die nicht nur den Mönchshof, sondern auch die Altstadt Kulmbachs und die Plassenburg bewarben und in den Programm-Ablauf integrierten. Diese Angebote wurden aktiv vermarktet und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten – die Besucherzahlen stiegen kontinuierlich an. Bald reichte die Personaldecke  nicht mehr aus, um alle Führungen adäquat zu betreuen. Deshalb erschien 2008 ein Inserat zu entsprechender Akquise in den regionalen Printmedien.“

Ulrich Nitsche war damals frisch pensionierter Lehrer, als ihn ein wohlmeinender Freund 2008 bei einem gemeinsamen Frühschoppen in der Feuerwache auf besagtes Zeitungsinserat aufmerksam machte: Das Bayerische Brauereimuseum suche freie Mitarbeiter, die qualifizierte Museumsführungen übernehmen wollten.

Nach einer kurzen Einarbeitungszeit, bei der er sich Vieles von bereits altgedienten Museumsführern abschauen konnte, wenn er sozusagen als Gastbesucher bei Ihnen mitlief, durfte er eigenverantwortlich tätig werden. Er war rasch in der Materie zuhause, denn so gänzlich fremd war sie ihm nicht.  Die Themen Mälzen und Brauen waren ihm schon seit Jugendtagen eng vertraut: In der Malzbereitung hat er in seiner Schul- und Studienzeit bereits selbst Hand angelegt, und dass er Bier gerne mag, daraus macht er keinen Hehl.

Sowohl der Museumsleitung als auch den Besuchern gefiel seine stets lockere und engagierte Art, dem Publikum die Geschichte des Bierbrauens nahezubringen. Letztere machten das gerne durch ein großzügiges Trinkgeld kenntlich.

Lieblingsexponat

Eine Abteilung des Brauereimuseums hatte es ihm dabei von Anfang an besonders angetan, das Thema „Bierbrauen um 1900“. Dort begegnet ihm immer wieder ein Exponat, das ihn an seine eigene Lebensgeschichte erinnert: der „Malzrechen“, sein ganz persönliches „Lieblingsstück“.

Dabei blickt Ulrich Nitsche schmunzelnd auf seine Karriere „vom Ferienarbeiter zum Museumsführer“ zurück: „Vor 60 Jahren habe ich während der Schulferien und später in den Semesterferien gerne in der Mälzerei Meußdoerffer gearbeitet.“ Er erinnert sich, dass dort sein Arbeitstag stets mit derselben Tätigkeit begann, dem Wenden des Grünmalzes:“ Zuerst wird die Gerste eingeweicht und erhitzt, bis sie keimt – jetzt nennt man sie Grünmalz, das nun wiederum trocknen muss. Um Schimmelbildung zu vermeiden, wird es nun Tag und Nacht gewendet und mit Frischluft angereichert. Dabei wurden seiner Zeit die einzelnen Malzmieten noch in mühevoller Handarbeit mit dem Malzrechen durchgepflügt.“

Es war eine „Knochenarbeit“, die man als „Grünschnabel“ nicht lange durchhielt: „Wir Jünglinge mussten diese Arbeit immer nur von 7.00 Uhr bis 9.00 Uhr stemmen. Nach der Brotzeit, also ab halb zehn, wies uns der Vorarbeiter eine andere Tätigkeit zu. Wenn man das Grünmalz mit diesem Eisenrechen durchrüttelte, hat man meist schon nach einer Stunde seine Arme kaum noch gespürt.“

Seit nunmehr 16 Jahren ist Ulrich Nitsche als Museumsführer erfolgreich: „So schweißtreibend wie damals in der Mälzerei ist es zum Glück heute nicht mehr und die Führungen bereiten mir noch immer sehr viel Freude.“

Museumsführer Ulrich Nitsche mit seinem Lieblingsstück, einem Malzrechen. Foto: Sigrid Daum-Sauermann

Wie kam das Exponat ins Museum

Museumsleiter Bernhard Sauermann erinnert sich: „Unser Malzrechen ist ein heimischer, ein echter Ureinwohner des Kulmbacher Mönchshofs.“

Historisch betrachtet haben Braubetriebe zunächst auch vielfach selbst gemälzt, bevor sich mit zunehmender Industrialisierung ab der Mitte des 19. Jahrhunderts    die Herstellung von Malz von der Bierherstellung trennte, die Mälzereien zu eigenständigen Unternehmungen wurden.

Und weiter erzählt der Museumsleiter zum geschichtlichen Hintergrund: „Bei Mönchshof lief diese Entwicklung ein wenig anders. Seit dem Mittelalter war diese Liegenschaft ein landwirtschaftliches Vorwerk der Zisterzienser-Mönche des ´Langheimer Amtshofes´, die hier Ackerbau, Vieh- und Fischzucht betrieben. Im Zuge der Säkularisation des Jahres 1803 wurde der Grundbesitz ´verweltlicht´, 1846 errichtete Erhard Ender im Mönchshof schließlich eine kommerzielle Mälzerei. Just zu der Zeit also, zu der der Kulmbacher Bierexport mit Anbindung an das überregionale Eisenbahnnetz so richtig an Fahrt aufnahm. Unter Simon Hering kam 1864 dann ein gewerblicher Braubetrieb hinzu und bereits seit dieser Zeit exportierte er seine Biere bis nach Amerika.“

„Das war das historische Umfeld, dem unser Malzrechen entstammt,“ ist sich Sauermann sicher, „denn wiederentdeckt wurde er in einer kleinen Abstellkammer im Dachboden hoch oben über dem heutigen Mönchshof-Bräuhaus. Genau jenem Gebäude-komplex, in dem sich die ursprüngliche Mälzerei von 1846 befand. Die ausgedehnten Lagerflächen im weiträumigen Dachstuhl dienten als Getreidelager, die Bodenflächen des heutigen Saalbaus und Klosterkellers wurden zum Keimen genutzt. Hier musste das Grünmalz durchgerüttelt und belüftet werden – hier kam unser Malzrechen zum Einsatz. Verborgen im Dachkämmerlein hat er die Zeit überdauert. Die Mälzerei inzwischen umgesiedelt in die Bayreuther Straße, dort immer wieder modernisiert und auf den neuesten Stand gebracht, ist unser Malzrechen `zuhause` im Mönchshof verblieben und schließlich im Bayerischen Brauereimuseum zu neuen Ehren gekommen. Hier zeugt er von einer ganz anderen Arbeitswelt. Einer Zeit, in der noch längst keine ausgetüftelten Maschinen die Muskelkraft der Menschen ersetzten.“