SERIE:

Lieblingsstücke

Unsere Mitarbeiter stellen ihre Lieblingsexponate aus dem Bayerischen Brauereimuseum vor.

Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums unseres Bayerischen Brauerei Museums freuen wir uns, eine besondere Artikelserie zu präsentieren. In dieser Serie stellen wir Ihnen die Geschichten und Lieblingsstücke unserer Museumsmitarbeiter und ehemaligen Mitarbeiter vor. Die Mitarbeiter stellen die persönlichen Hintergründe ihrer Lieblingsstücke und die faszinierenden Geschichten dahinter vor. Erfahren Sie mehr über die Schätze unseres Museums durch die Augen derjenigen, die täglich daran arbeiten, unser kulturelles Erbe zu bewahren und zugänglich zu machen. 

Anita Schlensog

Mit der großen Museumserweiterung des Bayerischen Brauereimuseums im Jahre 2001 wurde die Werbetrommel kräftig gerührt – bald wuchs die Besucherzahl stetig an und man brauchte dringend mehr Museumsführer. Durch eine Stellen-Anzeige warb man um freie Mitarbeiter. Aus den zahlreichen Bewerbungen wurden vier Probanden ausgewählt: Anita Schlensog, Ute Kügemann, Sabine Hacker und Ulrich Nitsche. Die damalige Geschäftsführerin Sigrid Daum, zuständig für wissenschaftliche Inhalte und Marketing, erstellte einen Leitfaden, Martin Ständner und Annelie Zapf arbeiteten die Neuen ein.  

Anita Schlensog führte bald versiert und mit Begeisterung, durch das Brauerei-museum und später auch durch die nachfolgenden Museen, die im gewaltigen Gebäudekomplex des Mönchshofs sukzessive errichtet wurden: das Bayerische Bäckereimuseum und das Deutsche Gewürzmuseum. Zudem  leistete sie stets wertvolle Dienste im Museumsshop und bei allem Möglichen, was so „außer der Reihe anfiel“. Museumsleiter Bernhard Sauermann erinnert sich sehr gerne an die engagierte Mitarbeiterin, die 20 Jahre lang für vielfältigste Aufgaben zu Verfügung stand: „Sie zeigte immer vollen Einsatz und war absolut vielseitig einsetzbar“ bis in den wohlverdienten Ruhestand. 

Anita Schlensog ihrerseits fühlt sich den Museen noch heute innigst verbunden: “Bei einem Besuch zur Recherche für diesen Beitrag hatte ich schon gleich beim Betreten des Museums, vorbei an den ersten Glasvitrinen, das Gefühl von ´Heimkommen´. Mit jeder Station, die ich über die vielen Jahre mit unseren Gästen besuchte, kam einmal mehr die Erinnerung an die vielen schönen Stunden, in denen ich dort Biergeschichte erzählte.“ 

 

Das Lieblingsstück 

Nach ihrem „Lieblingsstück“ gefragt, nannte sie ohne Umschweife den historischen Flaschenfüller aus dem Flaschenkeller in der Abteilung „Bierbrauen um 1900“: „Gerne habe ich den Besuchern u.a. auch den Flaschenkeller gezeigt. Hier mussten in aufwändiger Handarbeit die Flaschen gründlich gereinigt, abgefüllt, verschlossen und etikettiert werden. Dieser Flaschenfüller war damals schon ganz fortschrittlich und konnte 6 Flaschen auf einmal befüllen. Er produzierte sozusagen den ersten Sixpack!  Allerdings mussten die Flaschen dann wieder einzeln per Hand – mit Bügelverschluss oder Kronkorken – verschlossen werden.“ Dass das seinerzeit meist Frauenarbeit war, kommentiert sie mit einem Augenzwinkern: „vielleicht war dadurch der `Schwund`  nicht allzu groß“. 

 

Anita Schlensog  interessiert sich sehr für die Arbeitswelt in einer Brauerei um 1900: „Auch beim Etikettieren per Hand haben die Brauereimitarbeiter damals bewundernswerte Fertigkeiten entwickelt und bis zu 2.000 Etiketten in der Stunde geschafft!“ Ihr gefällt, dass man: „im Brauereimuseum  noch wunderbar – von den Rohstoffen angefangen – die vielen nötigen Einzelschritte nachvollziehen kann, bis wir zuhause unser Feierabendbier gemütlich genießen können.“  

 

Ein bisschen Wehmut klingt da schon mit, als Sie sich verabschiedet: „Ich wünsche dem Museum weiterhin viele nette, interessierte Gäste.“ 

Anita Schlensog mit ihrem Lieblingsstück, dem „Flaschenfüller“. Foto: Sigrid Daum-Sauermann

Wie kam der Flaschenfüller ins Museum 

Museumsleiter Bernhard Sauermann erinnert sich: „Es war eine aufregende Zeit, in den frühen 1990iger Jahren, als sich das Bayerische Brauereimuseum im Aufbau befand. Nach vielen Jahrzehnten des wirtschaftlichen Aufschwungs und dem gesellschaftlichen Streben nach immer Neuem war das Althergebrachte nahezu gänzlich aus dem kollektiven Bewusstsein verschwunden. Aus diesem Vakuum entwickelte sich eine breitgefächerte Sehnsucht nach Geschichte und Tradition – auch Brauereimuseen sprießten seinerzeit allerorten aus dem Boden.  

Es war schwer geworden, noch authentische Zeugnisse der Vergangenheit aufzuspüren, denn vieles war dem Wirtschaftswunder zum Opfer gefallen – verschürt, verschrottet, entsorgt. Da kam die Grenzöffnung 1989 zu den ehemals deutschen Ostgebieten geradezu segensreich zu Hilfe. Dort war das `Wirtschaftswunder` ausgeblieben und Werkstücke stets Mangelware – selbst außer Dienst gestellt wurden sie gewissenhaft aufgehoben, sicherlich hätte man sie (zumindest als willkommenes Ersatzteillager) noch brauchen können. 

Vor allem in der Sterquell-Brauerei in Plauen wurden wir seinerzeit fündig. Ein wahrer Schatz an historischen Brauereigerätschaften hatte sich zu unserer großen Freude in den weitläufigen Lagerflächen erhalten, wenngleich in teils  erbarmungswürdigem Zustand. Dort war man außerordentlich erstaunt, was der erfolgsverwöhnte und technisch hochgerüstete Westen denn mit dem `ganzen alten Kram` anfangen wollte. 

In mehreren abenteuerlichen Expeditionen unter der Leitung von Mönchshof-Brauereidirektor a.D. Walter König und Mönchshof-Geschäftsführer Dr. Hans-Christof Ihring wurden die Pretiosen von Bernhard Sauermann schließlich in den Mönchshof überführt. Und als Schmankerl am Rande sei erwähnt, dass sie dort unter fachkundiger Regie der Landesstelle für die Nichtstaatlichen Museen in München durch Vermittlung des ehemaligen technischen Leiters der Kulmbacher Reichelbräu, Herrn Dr. Rudolf Streng, von drei liebenswerten Handwerkern der Sternquell-Plauen in handwerklich bester Tradition nach modernsten konservatorischen Gesichtspunkten für die Dauerausstellung aufbereitet wurden. 

Einer dieser Findlinge ist besagter sechsarmiger Gegendruckflaschenfüller, der es nach langer Odyssee nicht nur in die permanente Ausstellung des Bayerischen Brauereimuseums geschafft hat, sondern obendrein mitten ins Herz von Frau Schlensog. Und auf diese Weise erzählt er Spannendes aus seinem Leben und berichtet von seinen Aufgaben: Im Gegensatz zu seinen Vorgängermodellen arbeitete er bereits im Gegendruckprinzip, um ruhig und schaumfrei abfüllen zu können. Dabei werden die zu befüllenden Flaschen unter den gleichen Kohlensäure-Druck gesetzt wie das Bier im Füller. Und im selben Maße, wie das Bier in die Flaschen strömt, wird das Gas aus den Flaschen zurückgedrängt. Der alte Flaschenfüller aus der Sternquell-Brauerei, kein spektakuläres, aber ganz sicherlich ein unheimlich liebenswertes Exponat mit bewegter Geschichte“. 

Schaut man übrigens heute in eine moderne Brauerei, ist man fasziniert von den teils gigantischen Abfüllstraßen, die automatisch die einzelnen Schritte (Füllen, Verschließen und Etikettieren) kombinieren können. Wie von Markus Stodden, dem Vorstandssprecher der Kulmbacher Brauerei zu erfahren war, schafft die neue Abfüllanlage für die Mönchshofbiere nicht  2 Tausend, sondern sage und schreibe 52 Tausend (!) Bügelflaschen.