SERIE:

Lieblingsstücke

Unsere Mitarbeiter stellen ihre Lieblingsexponate aus dem Bayerischen Brauereimuseum vor.

Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums unseres Bayerischen Brauerei Museums freuen wir uns, eine besondere Artikelserie zu präsentieren. In dieser Serie stellen wir Ihnen die Geschichten und Lieblingsstücke unserer Museumsmitarbeiter und ehemaligen Mitarbeiter vor. Die Mitarbeiter stellen die persönlichen Hintergründe ihrer Lieblingsstücke und die faszinierenden Geschichten dahinter vor. Erfahren Sie mehr über die Schätze unseres Museums durch die Augen derjenigen, die täglich daran arbeiten, unser kulturelles Erbe zu bewahren und zugänglich zu machen. 

Martin Ständner

30 Jahre Bayerisches Brauereimuseum heißt für den Kulmbacher Martin Ständner auch 30 Jahre spannender Arbeitsplatz – von Anfang an war er dabei. 

In seiner einstigen Stammkneipe, dem legendären „Pinguin“,  hatte er Sigrid Daum kennengelernt, die ihm von ihrer Arbeit am Konzept für ein Brauereimuseum im Kulmbacher Mönchshof erzählte. Er war sofort Feuer und Flamme für dieses Projekt und hielt sich bei diversen Kneipenbesuchen immer auf dem Laufenden. Als die Zeit gekommen war, geeignetes Personal für den Museumsbetrieb einzustellen, bot ihm Sigrid Daum einen Job als Kassierer und Museumsführer an, den er unverzüglich annahm und „nie bereute“. 

Kleine Bemerkung am Rande: Wirt des Pinguin war seinerzeit der unvergessene Uli Wagner, der nach Schließung seiner Szenekneipe ebenfalls im Mönchshof eine Stelle fand – als begnadeter „Eventmanager“. Nicht nur dort wird er nach seinem tragischen Tod von seinen Kollegen und Freunden noch immer schmerzlichst vermisst… 

Martin Ständner war zwar gelernter Schriftsetzer, schickte sich aber schnell in seinen neuen Aufgabenbereich ein, teilte die Begeisterung der beiden „Museumsmacher“ Sigrid Daum und Bernhard Sauermann.  

Aus eigenem Antrieb sog er alles Wissenswerte über Biergeschichte, Braukultur und -technik mit großem Eifer in sich auf und schaute dabei auch weit „über den Tellerrand hinaus“. Er bereiste gerne Regionen, die für ihre Bierspezialitäten bekannt waren, forschte nach schon längst in Vergessenheit geratenen Bieren und besuchte unzählige Brauereien – Bierverkostung inklusive. Er entdeckte für sich die faszinierende Welt der Bieraromen und ließ sich schließlich zum Biersommelier ausbilden. 

Das erweiterte sein Spektrum für alle Museumspädagogischen Bierstudien ungemein, wie sie noch heute vom Bayerischen Brauereimuseum angeboten werden: „Tagesbierseminare“, „Kulmbacher Biergeflüster“, „Fränkisches Bier- und Bratwursterlebnis“ u.v.a.m. – er war und ist in seinem Element. 

Danach befragt, was ihn zurückblickend besonders beeindruckt hat, meint Martin Ständner: „Der Umgang mit extrem unterschiedlichen  (zu 99% netten) Typen von Menschen und die Notwendigkeit,  sich auf all diese individuell einzustellen. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Führung mit einer Gruppe der GSG 9, der Eliteeinheit  der Bundespolizei, an hochrangige Politiker, an Führungen mit geistig Behinderten, an unsere jährlichen „Trainingslager der bayerischen Bierprinzessinnen“, die es bis zum finalen Wahldurchgang zur bayerischen Bierkönigin geschafft hatten, aber auch an viele Bierinteressierte, die bei unseren Bierseminaren zu Gast waren, mit jede Menge bierigen Fragen in die Bierstadt Kulmbach gereist waren und mit mir beim Verkosten verschiedener Biere bis ins Detail philosophierten.“ 

 

Auch selbst ist Ständner umtriebig in aller Welt unterwegs: in seiner Freizeit ist er erfolgreicher Trainer für Rasenkraftsport A-Trainer-Lizenz, früherer Bundes- und Landestrainer, Referent bei Trainerfortbildungen (Wurf, Kraft-/Schnellkraft, Trainingsmethodik) im In- und Ausland, aktuell  betreut er Leichtathleten bei den Europameisterschaften in Rom. Egal wo er hinkommt, informiert er sich, was es vor Ort Sehenswertes zu entdecken gibt: „Wenn sich die Möglichkeit ergibt, nutze ich das, nicht selten besuche ich dort auch Museen. Umso erstaunter bin ich dann, wenn Kulmbacher erzählen, dass sie noch nie im Bayerischen Brauereimuseum oder 30 Jahre nicht mehr auf der Plassenburg waren. Jeder sollte sich mal aufraffen und hochrangige kulturelle Einrichtungen vor der eigenen Haustüre auf jeden Fall einmal, wenn nicht immer wieder mal besuchen.“ 

Für Martin Ständner haben die alten Kühlschiffe einen besonderen Stellenwert im Brauprozess. Hier ein Teilstück des Kühlschiffs aus der Kulmbacher Mönchshof-Bräu mit einem Lamellenfenster aus der ehemaligen Münchberger Nützel-Bräu. Foto: Sigrid Daum-Sauermann

Lieblingsstück 

Nach seinem Lieblingsstück befragt, steuert er ohne Umwege auf das Kühlschiff in der Abteilung „Kunst des Bierbrauens“ zu und weiß seine Entscheidung auch gleich eindrucksvoll zu begründen: „Kühlschiffe standen noch vor hundert Jahren in jeder Brauerei. In den flachen Wannen musste der Sud von knapp 100 Grad auf Zimmertemperatur herunterkühlen. Das Kühlschiff hatte Vor- und Nachteile gegenüber moderner Technik,  wobei der hauptsächliche Nachteil wohl in der schwierigen Produkthygiene zu finden ist. Zunächst einmal musste der Brauer von daher akribisch aufpassen, dass um das Kühlschiff herum peinlichste Sauberkeit herrschte und bei langsam sinkenden Temperaturen kein Ungeziefer Gefallen an dem angenehm süßlichen Malzzucker fand und so der Würze womöglich erst ´die richtige Würze´ verliehen hätte. Wichtig war aber auch, dass der Wettlauf mit der Zeit gewonnen werden konnte, das heißt, dass sich keine wilden Hefesporen am Sud festsetzten, bevor der Brauer seine Reinzuchthefe zugab.  

Alte Braumeister wissen das Kühlschiff aber auch aus einem ganz besonderen Grund zu schätzen. ´Der Sud stinkt aus´, war eine praktische Brauerweisheit, denn durch die mehrstündige Ruhe im offenen Gefäß konnten sich unedle Stoffe verflüchtigen, das spätere Bier war ´harmonisch abgerundet´.   

Auch heute gibt es im fränkischen Raum noch eine Handvoll Brauer, die dieses traditionelle Utensil bewusst zum Einsatz bringen. So existieren Kühlschiffe aus Gusseisen, Kupfer, Aluminium oder auch aus Edelstahl. Manche Brauer, benutzen das Kühlschiff nur kurz für 1-2 Stunden und kühlen dann den Sud mit einem modernen Plattenkühler weiter herunter. Dadurch soll der sogenannte ´Hausgeschmack´, der teilweise Jahrhunderte gepflegt wurde, erhalten bleiben.“  

Wie kam das Kühlschiff in das Brauereimuseum 

Es ist für ein Museum stets von außergewöhnlicher Qualität, historische Schätze möglichst an ihren angestammten Aufstellungsorten präsentieren zu können.  

 

Bernhard Sauermann sieht das Bayrische Brauereimuseum mit solchen Glücksmomenten dankenswerter Weise reichlich besegnet , da es in den aufgelösten und nach didaktischen Gesichtspunkten ertüchtigten Räumlichkeiten  der ehemaligen Mönchshof-Bräu seine Heimat gefunden hat: „Das originale, kupferne Sudhaus von 1956, Kessel- und Maschinenhaus noch mit Gerätschaften bis zurück in die 1920er Jahre, der Eisstangenraum aus Mitte der 1930er Jahre, alles noch an seinem ursprünglichen Platz, wartet einmal mehr, von den Besuchern bestaunt zu werden. So befindet sich an unzugänglicher Stelle im althergebrachten, weitläufigen Dachgebälk des Mönchshofs, bestens belüftet duch die für diese Zwecke klassische Lamellenfensterreihe, noch die alte stählerne Kühlschiffanlage der ehemaligen Traditionsbrauerei – gleichsam in einem Dornröschenschlaf, fast ein verwunschener Ort – ganz weit da oben. Ein kleines bisschen kann der sensible Museumsbesucher von dieser nahezu märchenhaften Aura nachspüren, wenn er in der Ausstellung die etwas schummrige Großinszenierung zum Thema Würzekühlung neugierig betritt, in der ein originales Teilstück der alten Kühlwanne zur Aufstellung gebracht wurde, deren Existenz sicherlich zurückreicht bis in die Gründerjahre um 1895. Die `Belüftung´ übernimmt dort passgenau ein zugehöriges Lamellenfenster aus der ehemaligen Nützel-Bräu in Münchberg, was dieser Inszenierung  eine ganz besonders eindringliche Atmosphäre verleiht. Man kann sie Martin Ständner regelrecht nachfühlen, die Faszination, die er verspürt, wenn er dort über das `Würzekühlen` im klassischen Sinne philosophiert.“