Nicht nur das Bayerische Brauereimuseum feiert in diesen Wochen ein Jubiläum, da es vor 30 Jahren die Pforten zu seiner ersten Abteilung eröffnet hat. Ebenfalls ein Jubilar im Zusammenhang mit der Geschichte des Hauses ist einer der langjährigen Mitarbeiter, der Kulmbacher Ulrich Deichsel, vielen Einheimischen als passionierter Schwimmer bekannt, der vor nunmehr 20 Jahren zum Museum stieß.
Der diplomierte Kaufmann erinnert sich gerne daran, wie er zum Museumsteam kam: „Ich traf Bernhard Sauermann, den Museumsleiter, als dieser noch täglich zu Fuß zur Arbeit ging, auf der Straße in der Blaich. Bernhard kannte ich schon von Kindes-beinen an – wir besaßen bereits damals viele gemeinsame Interessen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich gerade meine Arbeitsstelle verloren, weil der Arbeitgeber seinen Betrieb einstellen musste. Das Museum brauchte Verstärkung im Büro und wir wurden uns ohne großes Federlesens einig. Er hat mich förmlich auf der Straße aufgelesen.“
Zuerst vertrat Deichsel umsichtig die damals gerade scheidende Buchungskraft und „verkaufte die kulturtouristischen Programme des Museums“ mit viel Engagement an Busunternehmen und Reisebüros. Dann wechselte sein Aufgabengebiet und er übernahm nach und nach mit großem Verantwortungsbewusstsein die durch den weiteren Ausbau der Museenlandschaft stetig wachsenden Aufgaben der Buchhaltung und die kaufmännischen Anforderungen der Förderkulisse: „Da die Bürokratie nicht weniger wurde, wuchs der Arbeitsumfang enorm. Beim Bayerischen Bäckereimuseum umfasste die Schlussabrechnung noch vier Akten-Ordner. Beim Deutschen Gewürzmuseum, gerade mal sieben Jahre später, hatten wir sage und schreibe achtzehn Ordner gefüllt“, kommt Deichsel ins Grübeln.
Als die Zeit des Aufbaus zu Ende war, kam „die große Zeit der Prüfungen“. Deichsel erinnert sich: „Allein im Jahr 2016 hatten wir vier Prüfungen – unter anderem vom bayerischen Rechnungsprüfungshof und letztlich sogar von der EU, die anhand unseres Gewürzmuseums-Projektes das Ministerium überprüfte, über das ihre Fördermittel bayernweit abgewickelt wurden. Eine aufregende Zeit.“
Eine Zeit vor allem auch, die Bernhard Sauermann nicht missen möchte: „Schon in Kürze entwickelte sich Ulrich zu meiner rechten Hand in allen kameralistischen Museumsfragen. Vor allem schätze ich sein waches Urteilsvermögen selbst in kniffligsten Situationen und seine Gewissenhaftigkeit. Auch seine hohe soziale Kompetenz war für das Museumsteam stets eine außergewöhnliche Bereicherung.“
Ulrich Deichsel ist seit einem Jahr wohlverdient im Ruhestand, langweilt sich aber durchaus nicht. Er ist sehr interessiert an allen heimatkundlichen und kulturellen Themen, engagiert sich seit Jahren in der ATS-Schwimmabteilung und steht Bernhard Sauermann weiterhin zur Seite, wenn Not am Manne ist.
Lieblingsexponat
Nach seinem Lieblingsexponat gefragt, schmunzelt Ulrich Deichsel verschmitzt und verkündet: „Die Bierfilzla als Ort der Poesie. Mir gefällt es, die Botschaften dieser vielen kleinen Kostbarkeiten zu entschlüsseln. Manche sind als Reim verfasst, andere sind Zeugnisse der Biergeschichte und viele sind kreative, grafische Beispiele ihrer Epoche. Ich lese die Ausstellungswände in der Abteilung ´Bier in der Werbung´ ähnlich wie ein Buch“.
Besonders angetan hat es ihm ein Bierdeckel mit persönlichem Bezug. Er stammt vom Hofbräuhaus Traunstein, bei dem er früher einmal angestellt war. Der Deckel trägt die Aufschrift: „Kamen Ritter vom Turniere, tranken Sie stets edle Biere. Vorbei ist aller Fürstenprunk, geblieben ist der Fürstentrunk“.
Ein anderer Bierdeckel gefällt ihm wegen seines historischen Bezugs zur Bierstadt Kulmbach: „Einhundertdreißig Jahre schon, seit Kulmbachs Bierexport besteht, hält Sandlerbräu die Tradition durch Bier von Ruf und Qualität.“
Wie die Bierfilzla ins Museum kamen
„Wohlgefüllt muss der Bierkrug eine ordentliche Schaumkrone tragen“, ist es für Museumsleiter Bernhard Sauermann eine unumstößliche Gepflogenheit. „Dabei quillt die Krone meist über den Krugrand und verursacht letztlich zusammen mit dem Schwitzwasser des kühlen Inhalts einen unschönen klebrigen Fleck auf dem Tisch unter dem Krugboden. Dies zu vermeiden war ursprünglich die Aufgabe eines echten, dicken Stückchens Filz, das zum Zwecke des gediegenen Genusses unter dem Bierkrug zu liegen kam.
Mit zunehmender Verfeinerung von Trinkkultur und Tischsitten, dem Aufkommen von Glaskrügen und Biergläsern, verfeinerte sich nicht zuletzt auch die zugehörige Bierfilzkultur. Aus dem ursprünglich noch brachialen Filzuntersatz entwickelte sich schließlich eine nur wenige Millimeter starke meist runde, teils auch eckige Scheibe aus saugfähigem Pappmaterial, industriell leicht herzustellen – längst nicht mehr aus Filz, doch der Name ist geblieben: Bierfilz!
Diese Scheibe vermochte im Zuge der parallel erwachenden Werbeaktivitäten noch weitaus mehr, als lediglich aufsaugen. Nachdem sich das Braugewerbe aufmachte, seinen angestammten Platz um den heimischen Kirchturm großflächig und dauerhaft zu erweitern, konnte sie aufgedruckte Werbebotschaften transportieren und Firmenphilosophien hinaustragen in die zunehmend orientierungslosere Welt anonymer Käuferschichten.
So sind kleine Kunstwerke entstanden, die schon bald breite Kreise von Sammlern auf sich aufmerksam werden ließen. Heute gibt es nach vielen Richtungen spezialisierte Einzelsammlungen, die im Zuge des Generationenwechsels ganz häufig ihren eigenen, meist relativ unspektakulären Weg ins Museum finden.“
Aber auch hier gibt es Highlights. Von einem sehr eindrucksvollen berichtet der Museumsleiter noch heute mit Begeisterung: „Als Schüler und auch als Student half ich gerne in meinen Ferien am Bauernhof bei Feldarbeit und Ernte. Es mag Mitte der 1970er Jahre gewesen sein, als ich beim Einwintern von Strohballen in einer großen Scheune in Veitlahm, an einen Balken genagelt, einen alten runden Bierfilz entdeckte, der sofort mein stets waches Forscherinteresse weckte. ´Brauerei Schneider – Veitlahm` fand sich da mit blauer Farbe aufgedruckt und auf meine Bitte, ob ich denn das Stückchen Pappdeckel mitnehmen dürfte, willigte Karl Johann Schneider, der Bauer, dankenswerterweise ein. Denn es ist keineswegs selbstverständlich, dass ein Eigentümer vom Schlage eines oberfränkischen Landwirts sich gerne von einer seiner Habseligkeiten trennt, vor allem sobald er merkt, dass ein anderer daran Interesse zeigt.
Später fand ich heraus, dass es sich bei der Brauerei Schneider um eine kleine Familienbraustätte im Dörfchen Veitlahm, Gemeinde Mainleus, handelte, die schon recht bald nach der vorletzten Jahrhundertwende wieder aufgegeben wurde. Selten genug, dass sich eine derart kleine Brauzelle überhaupt ein bedrucktes Bierfilzchen leistete, entpuppte sich dieses während meiner jahrzehntelangen Recherchen schließlich als das wohl einzigste seiner Art – heiß begehrt von der einschlägigen Sammlerwelt.“
Heute ziert es, etwas unscheinbar, ein kleines Fächlein in der großen Ausstellungswand für Bierfilze im Bayerischen Brauereimuseum. Es outet sich durch seine Aufschrift und das kleine Nagelloch in seiner Mitte, aus der Gambrinus den interessierten Besucher freudig begrüßt.