Der Exponateflüsterer
Zunächst gilt es, Bernhard Sauermann, den altgedienten Museumsleiter und Geschäftsführer des Trägervereins, kurz vorzustellen: Er ist ein Blaicher Urgestein, seine Affinität zu Lebensmitteln wurde ihm bereits in die Wiege gelegt, die in der Blaich vis-à-vis vom Mönchshof stand: väterlicherseits entstammt er der legendären Fleisch– und Wurstwarenfabrik H.+P. Sauermann AG und mütterlicherseits gehen seine Wurzeln zurück auf die einst renommierte Kulmbacher Sandlerbräu.
Er erinnert sich noch genau, wie er vor 33 Jahren zum damals noch jungen Museumsprojekt stieß: „Als ich das Kaufmannsdiplom in der Tasche hatte und mich eigentlich auf meine Promotion konzentrieren wollte, begegnete mir Sigrid Daum, die gerade an einem Konzept für ein Brauereimuseum im Mönchshof arbeitete. Sie war der Meinung, dass ich der Richtige wäre, sie dabei nach Kräften zu unterstützen – und das ab sofort. Wer sie kennt, weiß, dass sie eine hohe Überzeugungskraft besitzt. Und so haben wir uns viele Jahre beruflich aufs Beste ergänzt: sie hat sich um das Konzept gekümmert und ich mich um dessen Umsetzung; sie hat das Geld `besorgt´ und ich habe es `verwertet´; ich wusste, wo ich die passenden Exponate finden konnte und sie wusste, an welchem Platz in der Ausstellung diese bestmöglich platziert werden konnten.“
Bernhard Sauermann hat sich bereits während seines Studiums als begeisterter Wirtschaftshistoriker und begnadeter Sammler geoutet – vorzugsweise von Dingen, die, wie könnte es mit Blick auf seine familiäre Herkunft anders sein, entweder etwas mit Bier oder mit Fleisch- und Wurstwaren zu tun hatten. Kein Wunder, dass sich das bei der persönlichen Auswahl seines „Lieblingsstückes“ in besonderer Weise widerspiegelt: Ihm hat es vor allem die Inszenierung „Gastwirtschaft mit Metzgerei“ in der Abteilung „Bierkultur im Wandel der Zeit“ angetan, die er über all die Jahre mit viel Leidenschaft umsorgt und im Stillen immer wieder mit neuen, noch außergewöhnlicheren Fundstücken bereichert hat.
Die Lieblingsinszenierung – Gastwirtschaft mit Metzgerei
„Tod und Genuss – ein archaischer Dualismus der Extreme, dessen psychosoziale Sprengkraft mich seit meinen frühen Kindestagen auf´s Äußerste bewegt“, resümiert Sauermann. „Das Schlachthaus, Geräusche und Gerüche auf der einen, sinnesfrohe Kulinaristik auf der anderen Seite – scheinbar unausrottbare Notwendigkeiten menschlicher Existenz.
`Handwerk und Ernährung`, spätestens seit meinem Studium habe ich begonnen, mich mit deren kulturhistorischen Inhalten intensiver zu beschäftigen und legte damit sicherlich den Grundstock zu meinen heute breitgefächerten privaten Sammlungen in diesem Genre. Im Zuge meiner beruflichen Tätigkeit für die Museen im Kulmbacher Mönchshof reifte schließlich der Entschluss, manche dieser privaten Schätze aus dem stillen Kämmerlein herauszuholen und einer interessierten Öffentlichkeit zugängig zu machen. ´Dorfwirtshaus mit Metzgerei` ein Thema, das mir zur Herzensangelegenheit wurde. Das Schlachten, das Zerlegen, das Verarbeiten von Fleisch zu leckeren Wurstwaren und deren genüsslicher Verzehr in froher Runde bei einem guten Schluck Bier – das ist die Geschichte, die ich in der kleinen, ganz persönlichen Inszenierung erzählen möchte. Sie reicht von der dazu erforderlichen handwerklichen Ausstattung bis hin zu sozialpolitischen Fragestellungen.“
„Gastwirtschaft mit Metzgerei“, dieses Thema ist in der Abteilung „Bier und Geselligkeit“ im Bayerischen Brauereimuseum wirksam in Szene gesetzt. Fotos: Sigrid Daum-Sauermann
Sauermanns Sammlertätigkeit beschränkt sich jedoch nicht nur auf solche Exponate, die seine eigene Familiengeschichte dokumentieren. Als seltenes Highlight bezeichnet er einen Zufallsfund im Zusammenhang mit der Sanierung des denkmalgeschützten Hauses Waaggasse 1 in Kulmbach: „Ein befreundeter, mit der Räumung des Hauses beauftragter Bauarbeiter, kam Ende der 1980er Jahre auf mich zu und informierte mich, dass auf dem dortigen Dachboden so altes Zeugs läge. Er fragte mich, ob ich vielleicht damit was anfangen könnte. Schon bei der ersten flüchtigen Inaugenscheinnahme `fielen für mich sprichwörtlich Weihnachten und Ostern zusammen`. Zahlreiche dick verstaubte Metzgereiutensilien handwerklicher Natur wohl aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts fanden sich dort, allen voran ein hölzerner Handausfuhrwagen der ´Metzgerei Schlund, Kulmbach` mit dem diese offensichtlich ihre Produkte turnusgemäß zum nahegelegenen Wochenmarkt karrte – eingelagert wahrscheinlich mit Aufgabe des Geschäftsbetriebs in selbigem Haus – ausgestellt heute im Bayerischen Brauereimuseum. Ein ganz besonderes Exponat, das in Fachkreisen ganz sicherlich seinesgleichen sucht.“
Die Gastwirtschaft
Sauermann schätzt das Wirtshaus als einen wesentlichen Bestandteil unserer Alltagskultur und nur schwer daraus wegzudenken: „Selbst heute noch, da seine besseren Tage auf Basis vielerlei gesellschaftspolitischer Entwicklungen bereits massiv angezählt erscheinen, ist es ein Ort des Austausches und der Geselligkeit. Von der Eckkneipe über die bürgerliche Gaststätte bis hin zum Sternerestaurant. Die meisten der regionalen Leckereien fanden hier über viele Jahrhunderte ihre Genießer – hergestellt am Metzgertisch, aufgeboten am Wirtshaustisch.
Die Gastwirtschaft ist ein Treffpunkt mit Gleichgesinnten – am Stammtisch, bei Vereinsabenden oder auch Familienfeiern, bei Taufe, Hochzeit oder Leichenschmaus, von der Geburt bis hin zur Bahre. Hier wird politisiert und gefrotzelt, philosophiert und gefeiert, gelacht und geweint. Möglicherweise wird sein endgültiger Verlust nicht abzuwenden sein – schmerzhaft für alles Zwischenmenschliche ist das allemal“.