Ganze 54 Jahre schon gehen die beruflichen Wege des Untersteinachers Herbert Heßlinger in den Mönchshof. So lange ist es her, dass er als Handwerker in der Betriebsschlosserei der stolzen Kulmbacher Brauerei in der Hofer Straße seinen Dienst begann. Ab 1991, dem Zeitpunkt, als das Bayerische Brauereimuseum vorbereitet wurde, wuchs er langsam aus dem Brauereibetrieb dem Museumsprojekt zu. Gerne erinnert er sich an die Anfangszeiten: “Wenn Leerlauf war in der Schlosserei, dann habe ich beim Museumsaufbau geholfen. Das hat mir viel Spaß gemacht, seit ich als erstes Exponat die Schrotmühle im ersten Stock aufgestellt habe.“
Beim Zusammenschluss der Kulmbacher Brauereien im Jahre 1998 wurde dieser beiderseits befruchtenden Arbeitsplatz-Symbiose ein jähes Ende beschert: Herbert Heßlinger wurde ins Werk II (EKU) verlegt und war dort beruflich nicht glücklich. Das änderte sich, als er 1999 eine feste Anstellung beim Museumsverein bekam und fortan aktiv an der Erweiterung des Bayerischen Brauereimuseums und im Anschluss am Aufbau der weiteren Museen im Mönchshof mitarbeiten konnte.
Es gab viel zu tun für ihn in den Jahren des Aufbaus. Nahezu sämtliche Großexponate baute er federführend zusammen mit dem Museumsleiter am Ursprungsort ab, um sie in die Museumsinszenierungen zu integrieren. Am emotionalsten empfand er dabei: „die Translozierung des einstigen Backhäusla vom Bärnhof aus Oberdornlach ins Bayerische Bäckereimuseum in die Blaich“. Zum Schluss seiner beruflichen Laufbahn fungierte der betriebskundige Allrounder als umtriebiger Hausmeister des riesigen Mönchshofgeländes.
Der Unruheständler
Herbert Heßlinger ist zwar seit einigen Jahren im Ruhestand, aber wenn Museumsleiter Bernhard Sauermann ihn braucht, ist er, wann immer möglich, stets zur Stelle. So zum Beispiel, als er für eine Sonderausstellung zur „Kulmbacher Marktbuden-Kultur“ die alte Bierbude der Marinekameradschaft Kulmbach-Mittelau abbaute, um sie auf der Galerie des Museumsfoyers in frischem Glanz zu präsentieren.
Bernhard Sauermann schätzt die Vielseitigkeit des Schlossers sehr: „Der Herbert ist nicht nur ein Handwerker, er ist ein Virtuose – ein Meister der Präzision und äußerst findig bei kniffligen Anforderungen, die eine Installation in alten, historischen Mauern immer wieder abverlangen. Für alle Fälle hat er die passende Lösung parat. Geht nicht, gibt´s nicht“.
Langweilig wird es dem rüstigen Rentner in seiner Freizeit nicht: „Da geh´ ich in mein´ Wald und mach Holz“ und häufig führt ihn sein Weg in den Mönchshof, um „nach dem Rechten zu sehen“.
Lieblingsexponat
Nach seinem Lieblingsexponat gefragt, fallen Herbert Heßlinger gleich mehrere ein. Am eindrucksvollsten scheinen ihm dann aber doch die hölzernen Lagerfässer der ehemaligen Mönchshof-Bräu zu sein und er postiert sich stolz vor einem seiner Lieblinge: „Diese Fässer bestehen aus Eichen-Dauben, die von eisernen Fassreifen zusammengehalten werden, und den beiden Fassböden. Sie sind monsterschwer. War das eine Aufregung, bis wir die beiden Ungetüme endlich in den ersten Stock gehievt hatten. Aber, wir haben es geschafft.“
Wie die Lagerfässer ins Museum kamen
„Gefunden waren sie gleich, die mächtigen Lagerfässer aus längst vergangener Zeit – eingelagert im Holzschuppen neben dem Mönchshof-Eishaus“, erinnert sich Museumsleiter Bernhard Sauermann.
„Dem Holzwurm haben sie dort Jahrzehnte getrotzt, sich erfolgreich versteckt vor der Verwertung als Brennholz ebenso wie vor der Verwendung als Gartenwasser-speicher oder lustige Partyhäusla. So sind sie auf den Tag gekommen als Zeugnisse eines längst vergangenen Arbeitsalltags, der dem Handwerker nicht selten seine letzten Reserven abverlangte – beim Ein- oder Auskellern, beim Reparieren und selbst beim turnusgemäßen Reinigen.
Gedient haben die riesigen Fässer zur Nachgärung im Lagerkeller der Brauerei, hier gelangte das Jungbier über mehrere Wochen zu seiner endgültigen Reife. Aus schwerem Eichenholz waren die einzelnen Dauben kunstfertig geformt und zusammengebaut, mit den Blättern des Kolbenschilfs abgedichtet. Jedem Fass war seine Firmierung eingebrannt. Eine individuelle Fassnummer diente der Identifizierung und seiner Verwaltung im Fassbuch der Brauerei. In Literangaben war sein Volumen erkenntlich, das sich änderte mit jeder Reparatur, bzw. jedem neuen Pichvorgang, was stets zu neuer Eichung führte.
Es war kein Leichtes, der Umgang mit den hölzernen Kolossen – allein die Innenreinigung erforderte nach jedem abgeschlossenen Gärvorgang, dass sich ein schmalbrüstiger Lehrlingsbursch durch´s enge Schlupfloch zwängen musste, um das dunkle und dampfige Innere des Fassbauchs schweißtreibend gründlich sauber zu schrubben.
Als Reminiszenz an eine so ganz andere Arbeitswelt waren es diese Fässer wert, ihren angestammten Platz in der Dauerausstellung des Bayerischen Brauereimuseums als wesentlicher Teil der Abteilung ´Bierbrauen um 1900` zu erobern.
Und das gestaltete sich seinerzeit alles andere als einfach: zwei dieser Fässer mussten in den ersten Stock… – durch die Haustüre unmöglich. Über das enge Treppenhaus… – gar nicht daran zu denken! Mit dem Autokran durch ein mögliches Loch im Dach? – die Zerstörung der historischen Gebäudesubstanz viel zu massiv! Die letzte Möglichkeit also: über das Erdgeschoss durch ein Zugloch in die erste Etage. Dazu war es erforderlich, das große Lieferantentor des Mönchshof-Bräuhauses zur Hofer Straße hin komplett zu demontieren, sogar der Rahmen musste ausgebaut werden, um millimetergenau die sperrige Fracht ins Gebäudeinnere zu bugsieren. Gleich anschließend ging´s weiter mit dem Kettenzug schnurstracks nach oben und von dort Stück um Stück an den vorgesehen Platz. Ein Husarenstück allemal, unter der präzisen Regie von Herbert Heßlinger.
Dort stehen sie noch heute und repräsentieren die Jahrhunderte alte und stolze Kunst des Bierbrauens. Sie sind aber auch Zeugen der pfiffigen Findigkeit der Museumsmacher, solche eindrucksvollen Inszenierungen überhaupt erst Realität werden zu lassen.“