2. Bierrechtstag – Regulierung oder Eigenverantwortung?

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Beim 2. Kulmbacher Bierrechtstag trafen sich Experten aus ganz Deutschland, um kontrovers über „Alkohol und Gesundheit“ und die Pläne der EU zu diskutieren, den Alkoholkonsum europaweit spürbar zu reduzieren. Das Ergebnis: Die Beurteilung der Sachlage hängt von der jeweiligen Perspektive ab.

Es ist „Europe’s beating cancer plan“, der polarisiert: Darin fasst die EU-Kommission zusammen, was sie plant, um Krebserkrankungen in der EU einzudämmen oder zu verhindern. Diese Pläne werden Konsequenzen für alle Branchen haben, die alkoholhaltige Getränke herstellen, verbreiten oder vermarkten. Deshalb hatten der Lehrstuhl für Lebensmitterecht der Universität Bayreuth an der Fakultät für Lebenswissenschaften: Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit gemeinsam mit den Museen im Mönchshof ihren 2. Kulmbacher Bierrechtstag unter das Motto „Alkohol und Gesundheit“ gestellt. Rund 60 Experten – Wissenschaftler*innen, Vertreter*innen der Brauerbünde, der Weinakademie, des Weinbauernverbands und von Ministerien, der Wirtschaft, des Handels sowie Rechtsanwält*innen – folgten der Einladung. Getagt wurde in den Räumen der Fakultät in der „Alten Spinnerei“ und im Kulmbacher Mönchshof.

Die gesundheitlichen Auswirkungen von alkoholischen Getränken beleuchtete die Dekanin der Fakultät für Lebenswissenschaften und Inhaberin des Lehrstuhls für Biochemie der Ernährung, Prof. Dr. Janin Henkel-Oberländer. Sie sagt: „Rein biochemisch betrachtet, steht es außer Frage, dass Alkohol ein Zellgift und damit gesundheitsschädlich ist. Aber eben nicht für jeden im selben Maße.“ Die gesundheitsschädliche Wirkung hänge an vielen weiteren Faktoren wie Alter, Geschlecht, Gewicht oder Ernährung. Der Metabolismus sei bei jedem einzelnen individuell und beeinträchtige auch das Abhängigkeitspotential. Dies mache es sehr schwer zu entscheiden, wie viel „zu viel“ Alkohol ist, pauschale Aussagen könne man nicht treffen. Vor allem regelmäßiger hoher Konsum könne jedoch mit schweren Langzeitfolgen verbunden sein. Sie gab den Teilnehmern zahlreiche Fakten an die Hand.

Deutschland ist immer noch eins der Länder mit dem höchsten Alkoholkonsum weltweit. Laut „Alkoholatlas Deutschland“ konsumieren zwei Drittel der Erwachsenen hierzulande regelmäßig alkoholische Getränke, wenngleich die Zahl der Jugendlichen Alkoholkonsumenten bundesweit zurückgeht: Es sind 8,7% der 12- bis 17-Jährigen, 1979 waren es laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung noch 25% der Befragten. Trotzdem gibt es in Deutschland jährlich 75.000 Todesfälle, die mit Alkohol in Verbindung stehen. Allerdings sei diese Zahl mit Vorsicht zu genießen, denn sie stamme aus dem Jahr 1991, wie Dr. Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds, ergänzte. Seither sei der Alkoholkonsum pro Kopf um rund 28 % gesunken.

Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, warf einen pragmatischen, wenn auch nicht verharmlosenden Blick auf das Thema. „Wir müssen die Lebenswirklichkeit auch anerkennen und uns klarmachen: Sprechen wir von einem unbotmäßigen Rauschtrinken oder von einem Genussmittel?“ Ob Verbote das einzig Zielführende sind, sei schwer zu bewerten: „Weil Menschen sich ungern Dinge wegnehmen lassen, die ihnen Spaß machen. Reglementierung muss mit bewusster Entscheidung zu tun haben, nicht so sehr mit Zwang“. Hensel plädierte für eine differenzierte „Risikokommunikation“. Gerade in den Medien sei einiges „überdramatisiert“ – bei Alkohol ebenso wie bei manchen Lebensmitteln, von denen keine Gefahr für die Gesundheit ausgehe. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass die Gefahren von Alkohol nicht heruntergespielt werden dürften.

Was die EU konkret plant, erläuterte Prof. Dr. Kai Purnhagen, Inhaber des Lehrstuhls für Lebensmittelrecht an der Universität Bayreuth, Prodekan der Fakultät für Lebenswissenschaften und Initiator des Bierrechtstags: Sie hat mit dem „Europe’s beating cancer plan“ einen Aktionsplan zur Prävention von Krebserkrankungen veröffentlicht und will unter anderem den „schädlichen Alkoholkonsum reduzieren“. Zur Debatte stehen zum Beispiel Alkohol-Warnungen auf Etiketten, striktere Regeln bei der Online-Werbung für alkoholische Getränke vor allem mit der Zielgruppe „Jugend“ sowie eine Überprüfung der Besteuerung und des innereuropäischen Handels mit alkoholhaltigen Getränken. Dass die EU das regulieren „darf“, war das Ergebnis von Purnhagen: „Fast alles ist möglich, solange ein Binnenmarktbezug besteht.“ Unklar sei jedoch weiterhin, ab wann man von einem schädlichen Alkoholkonsum sprechen könne.

„Die Mehrheit der Menschen ist in der Lage, selbst zu entscheiden, Verbote führen nicht weiter“, erklärte Kristine Lütke (FDP), Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag. Sie plädierte vor allem dafür, die Gesundheitskompetenz der Bürger*innen zu stärken, damit diese selbstbestimmt Entscheidungen im Umgang mit Alkohol treffen. Christine Röger, Leiterin des Kompetenzzentrums für Ernährung, zweifelt an der Wirksamkeit von reinen Appellen an die Eigenverantwortung. Aus ihrer täglichen Arbeit der Ernährungserziehung an Schulen weiß sie, wie schwer Präventions-Botschaften ankommen und umgesetzt werden.

Ganz klar ablehnend ist die Haltung der Verbandsvertreter*innen gegenüber mehr Regulierung: Julia Busse, Geschäftsführerin Politik und Recht des Deutschen Brauer-Bunds e.V. sagte: „In den Kinder- und Jugendschutz auch den Schutz von Erwachsenen einzubeziehen – das geht zu weit. Was wir brauchen, ist vor allem gute Aufklärung, um die Menschen zu überzeugen. Hier leistet die Branche einen wichtigen Beitrag. Alkohol und Gesundheit, das ist kein Feld für noch mehr Regulierung.“ Ihr Kollege Dr. Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds stimmt ihr zu: „Alkoholmissbrauch bekommen wir mit Verboten nicht in den Griff.“ Er sprach sich gegen die geplante alkoholpolitische „Rasenmähermethode“ aus, die moderat und verantwortungsvoll alkoholhaltige Getränke Genießende ebenso treffe, wie die, die missbräuchlich Alkohol konsumieren. Er plädierte vielmehr für eine zielgerichtete Missbrauchsprävention, bei der die Politik auch die Brauwirtschaft an ihrer Seite hätte.

Der Direktor der Forschungsstelle für Lebensmittelrecht (FLMR) der Universität Bayreuth, Prof. Dr. Kai Purnhagen resümierte zum Abschluss: „Der zweite Kulmbacher Bierrechtstag hat gezeigt, welcher enorme Handlungsdruck auf die Branche im Zuge der Transformation der Ernährungssysteme zukommt. Umso wichtiger ist es, dass sich Wissenschaft, Politik und Praxis konstruktiv austauschen und in den Gesetzgebungsprozess einbringen. Nur so können sinnvolle Regeln geschaffen werden.“

Von links bei der Paneldiskussion in den Museen im Mönchshof: Dr. Carsten Oelrichs, Partner bei ZENK Rechtsanwälte, Julia Busse, Geschäftsführerin Politik und Recht des Deutscher Brauer-Bunds e.V., Dr. Claudia Hammer, Wissenschaftliche Leitung der Deutsche Weinakademie, Dr. Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds e.V.

Von links bei der Diskussion in der „Alten Spinnerei“ an der Fakultät für Lebenswissenschaften: Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit: Prof. Dr. Kai Purnhagen, Inhaber des Lehrstuhls für Lebensmittelrecht Universität Bayreuth, Dr. Katja Brzezinski-Hofmann, Geschäftsführerin der Forschungsstelle für Deutsches und Europäisches Lebensmittelrecht (FLMR) der Universität Bayreuth, Prof. Dr.Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, Dr. Tilman Reinhardt, Akademischer Rat (aZ) an der Fakultät für Lebenswissenschaften Universität Bayreuth; Dr. Helga Metzel, Leitung Kulmbacher Mönchshof ; Prof. Dr. Janin Henkel-Oberländer, Dekanin der Fakultät VII, Universität Bayreuth.